Partisanenrepublik Ossola, Orte der Erinnerung – Teil 4

Der erbitterte Kampf gegen die von vielen Kriegsverbrechen begleitete deutsche Besatzung und der Versuch vieler Menschen aus dem Ossolatal, im Herbst 1944 in ihrer Heimat nach über 20 Jahren Faschismus endlich wieder demokratische Verhältnisse herzustellen, hat vielerorts Spuren hinterlassen. Aber Hinweise darauf, wo noch heute im Tal an den Widerstand erinnert und das Gedenken an die 44 Tage der „Repubblica partigiana della Val d’Ossola“ wachgehalten wird, sucht man in deutschsprachigen Reiseführern leider vergeblich.

Domodossola, die Hauptstadt der Bewegung
Dass der Rathausvorplatz von Domodossola heute „Piazza Repubblica dell’Ossola“ heißt, mag wenig erstaunen. Ungewöhnlicher schon, dass im Rathaus an der Stirnseite des Sitzungssaals – wo andernorts in Italien das Porträt des gerade amtierenden Staatspräsidenten hängt – stattdessen Ettore Tibaldi auf die Ratsmitglieder schaut: Domodossola ist stolz auf den Chef der kurzlebigen „Giunta Provvisoria di Governo dell’Ossola“.
Dieser Sitzungssaal wird auch als „Sala Storica della Resistenza“ bezeichnet, und wenn der Gemeinderat gerade nicht tagt, ist der Raum für Besucher frei zugänglich: Entlang der Wände stehen Glasvitrinen, die mit historischen Fotos und Erklärungstexten entscheidende Ereignisse des Widerstands im Ossolatal dokumentieren.

Wer mehr über die Geschichte der Partisanenrepublik von Ossola erfahren wollte, musste bis vor kurzem in die Provinzhauptstadt Verbania fahren und dort die Ausstellung in der „Casa della Resistenza“ von Fondotoce besuchen. Zum 70. Jahrestag der Partisanenrepublik im Oktober 2014 wurde nun aber in Domodossola mit der „Casa 40“ ein eigenes Informations- und Dokumentationszentrum zu den „40 giorni di libertà“ eröffnet.

Auch die humanitäre Hilfe der Eidgenossenschaft ist bis heute in Domodossola unvergessen. Eine am Gleis 1 des Bahnhofs angebrachte Gedenktafel weist auf die Hilfe der Schweizer Nachbarn hin: „Zum 30. Jahrestag der Republik des Ossola im Gedenken an die Bruderhilfe der Walliser und Tessiner an die Bevölkerung des Ossola“. Dreißig Jahre später wurde im Jahr 2004 am Rand der kleinen Grünfläche gegenüber dem Rathaus ein Gedenkstein aufgestellt, mit dem sich die Stadt Domodossola dafür bedankt, dass 1944 Tausende von Flüchtlingen aus dem Ossolatal Aufnahme in der Schweiz fanden: „Am 60. Jahrestag der Partisanenrepublik Ossola zum Gedenken an die brüderliche Hilfe gewährt von Schweizer Freunden“.

Pallanzeno, Megolo, Finero, Goglio – Erinnerungsorte des antifaschistischen Widerstands
Etwas südlich von Villadossola weist an der Landstraße im Weiler Pallanzeno ein Hinweisschild zu einer schlichten Gedenkstätte („Cippo“) für die Opfer des Aufstands von Villadossola: Am 8. November 1943 blockierten Partisanen die Zufahrtswege nach Villadossola, besetzten Post und Kasernen, und in den Fabriken kam es zu Arbeitsniederlegungen. Der sich schnell auch auf andere Orte des Tals ausweitende Aufstand wurde nach zwei Tagen von den deutschen Besatzern blutig niedergeschlagen. Am Ort der Gedenkstätte wurden einige Tage später sechs sogenannte „Rädelsführer“ des Aufstands erschossen, unter ihnen der kommunistische Arbeiter Redimisto Fabbri, nach dem später eine eigene Partisanenformation benannt wurde.

An der Kirche von Megolo Mezzo, einer Teilgemeinde von Pieve Vergonte, beginnt der Wanderweg „Sentiero Beltrami“, benannt nach einem der wichtigsten Protagonisten des Widerstands im Ossolatal. Nach wiederholten, von Omegna ausgehenden Durchkämmungsaktionen des Val Strona wurde Ende Januar 1944 in Campello Monti (oberstes Val Strona) beschlossen, die unter Filippo Beltrami zusammengefassten Widerstandsgruppen „Patrioti Valstrona“ nach Megolo im Ossolatal zu verlegen. Als am 13. Februar 1944 deutsche Truppen Megolo auf der Suche nach Partisanen angriffen und Häuser in Brand steckten, wurden bei Cortavolo oberhalb von Megolo bei einem Gefecht 12 Männer getötet, unter ihnen Filippo Beltrami.
Eine schmale Straße führt vom Kirchplatz in Megolo Mezzo hinauf nach Cortavolo mit der Gedenkstätte.

An der Straße von Canobbio (Lago Maggiore) ins Val d’Ossola befinden sich gleich zwei Gedenkstätten des Widerstands. In Finero ist das Monument für die Opfer des Befreiungskampfes nicht zu übersehen. Es steht direkt an der Straße, unweit der Stelle, wo am 23. Juni 1944 an der Friedhofsmauer von Finero 15 Partisanen hingerichtet wurden. Sie fielen einer großangelegten „Säuberungsaktion“ zum Opfer, mit der ab 10. Juni 1944 circa 17.000 Männer (Wehrmacht, SS und faschistische Miliz) mit massiver Luftunterstützung das Ossolatal durchkämmten. Insgesamt wurden bei dieser dreiwöchigen Aktion im Ossolatal ca. 300 Partisanen während der Kämpfe getötet oder hingerichtet (davon allein wenige Tage zuvor in Verbania-Fondotoce 42 und in Baveno 17 Widerstandskämpfer).
Der zweite Erinnerungsort liegt etwas versteckter am stillgelegten und durch die Galleria di Creves ersetzten Teilstück der Straße. Hier wird Alfredo Di Dio, dem Anführer der „Division Valtoce“, und Attilio Moneta, dem Kommandanten der Guardia Nazionale der Partisanenrepublik, gedacht, die bei der Rückeroberung der Partisanenrepublik durch deutsche Wehrmacht und italienische Faschisten am 12. Oktober 1944 erschossen wurden.

In Goglio wurde die längst stillgelegte Kabinenbahn zur Alpe Devero zu einem kleinen Museum des Widerstands ausgebaut. Bei der Rückeroberung der Partisanenrepublik von Ossola durch deutsche Wehrmacht und italienische Faschisten wurden am 17. Oktober 1944 vier Mitglieder der „Divisione Valdossola“ bei der Flucht in das Schweizerische Binntal getötet. Für den Aufstieg zur Alpe Devero, von der aus der Grenzübertritt unternommen werden sollte, nutzten 24 Partisanen die zwischen Goglio und der Alpe Devero verkehrnde Seilbahn. Als diese wegen Überladung ins Stocken geriet, wurde sie von den Verfolgern beschossen. Die meisten der Partisanen konnten sich durch Sprung aus der Kabine retten; vier von ihnen wurden erschossen.

Varzo – die vereitelte Sprengung des Simplontunnels
Am Bahnhof des an der Simplonstrecke gelegenen Ortes Varzo erinnert eine Gedenktafel daran, dass kurz vor Ende des Krieges in der Nacht vom 22. auf den 23. April 1945 Partisanen der 2. Garibaldi-Division die von den Deutschen nach dem „Prinzip der verbrannten Erde“ geplante Sprengung des Simplontunnels verhinderten.
Werner „Swiss“ Schweizer hat dieses Ereignis mit dem Film „Dynamit am Simplon“ (1989) dokumentiert. In Gino Vermicellis Buch „Die unsichtbaren Dörfer“ schreibt er dazu:
„Bereits im November 44 traf in Varzo, dem letzten Dorf vor der italienischen Seite des Simplontunnels, eine Spezialeinheit von deutschen Mineuren ein. Sie begannen, die bereits vorhandenen Sprengkammern im Simplontunnel auszubauen und für die Sprengung vorzubereiten. Auch grosse Elektrizitätswerke und Staumauern wurden miniert. Da die Simplonstrecke bis nach Domodossola unter der Aufsicht der schweizerischen Bundesbahn stand, entdeckten Eisenbahnarbeiter diese Vorbereitungen und meldeten sie dem Zollchef von Domodossola, dem Schweizer Peter Bammatter. Dieser war vom Schweizer Geheimdienst für Beobachtungsaufgaben in Norditalien eingesetzt worden. Ein erster Versuch, den Sprengstoffkonvoi durch eine Partisanenaktion bereits am Lago di Mergozzo zu zerstören, misslang.
So blieb es die Aufgabe der „2. Garibaldi-Division“, den Sprengstoff, der inzwischen bis nach Varzo gebracht worden war, unschädlich zu machen. Mit den Brigaden „Camasco“, „Fabbri“ und „Volante Alpina“, insgesamt 120 Mann, riegelte „Mirco“ das Tal vollständig ab, hielt die SS- sowie die österreichischen Wachtruppen in ihren Kasernen fest und liess die 64 Tonnen Trotyl abbrennen. Eine riesige Feuersäule, über 300 Meter hoch, leuchtete bis nach Domodossola, wo der Schweizer Nachrichtenchef Peter Bammatter, in den hell erleuchteten Himmel blickend, von der erfolgreichen Durchführung „seiner“ Aktion Kenntnis nahm.“

Gedenkorte Europa 1939-1945

 

Weitere Informationen zu Gedenkorten im Ossolatal
Weiterführende Informationen, detaillierte Anfahrtsbeschreibungen, GPS-Koordinaten und Literaturhinweise haben wir auf den Seiten des Gedenkorte-Portals www.gedenkorte-europa.eu unter „Ossolatal“ abgelegt.

Sabine Bade & Wolfram Mikuteit

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