Vor 70 Jahren, am 23. März 1944 – dem 25. Jahrestag der Gründung von Mussolinis „Fasci di combattimento“, der berüchtigten faschistischen Kampfbünde – explodierten in Rom an der Kreuzung Via Rasella und Via del Boccaccio eine in einem Müllkarren verborgene Bombe und eine präparierte Mörsergranate. Durch diesen Anschlag wurden 33 der 156 Mann starken, mit Waffen im Anschlag täglich zur gleichen Zeit durch die Via Rasella marschierenden 11. Kompanie des III. Bataillons des Polizei-Regiments „Bozen“ getötet, 67 verwundet. Auch zwei Italiener kamen dabei ums Leben.
Die Deutschen übten mit dem Massaker in den Ardeatinischen Höhlen grausame Rache an 335 italienischen Zivilisten – darunter 75 Juden –, von denen kein einziger auch nur im Entferntesten etwas mit dem Anschlag zu tun hatte. Das durch Männer des Sipo- und SD-Außenkommandos in Rom unter der Leitung von SS-Obersturmbannführer Herbert Kappler ausgeführte Gemetzel gilt in Italien als das Symbol für die Schrecken der 20 Monate andauernden deutschen Besatzungszeit.
Der Anschlag in der Via Rasella war nicht die erste gegen die deutsche und faschistische Gewaltherrschaft gerichtete Aktion der römischen Gruppi d’Azione Patriottica, kurz GAP; das Massaker in den Fosse Ardeatine nicht die erste „Repressionsmaßnahme“, die die deutschen Besatzungsorgane ergriffen. Die Unterdrückung der Zivilbevölkerung begann unmittelbar nach der deutschen Besetzung Roms und fand ihren ersten tragischen Höhepunkt bereits am 16. Oktober 1943, als das Ghetto durchkämmt und 1007 Juden in die Vernichtungslager deportiert wurden. Weitere Deportationen folgten, und bis zum letzten Tag vor der Befreiung wurden regelmäßig Partisanen – oder wer dafür gehalten wurde – im Forte Bravetta erschossen und ganze Stadtviertel „ausgekämmt“. Auch die bestialische Barbarei der Folterknechte in der Via Tasso, dem Gefängnis der SS und Sicherheitspolizei, war der hungernden Bevölkerung von Rom bekannt.
Organisiert und ausgeführt wurde der Anschlag in der Via Rasella von jungen Studenten, die sich in den GAP organisiert hatten, unter ihnen Rosario Bentivegna, Carla Capponi und Franco Calamandrei (das berühmte Gedicht „Se voi volete andare …“ stammt von seinem Vater) unter Leitung von Mario Fiorentini. Sie alle konnten sich kurz nach der Zündung der in einem Müllkarren deponierten Sprengladung in Sicherheit bringen und waren längst nicht mehr am Ort des Geschehens, als hochrangige Nazis und Faschisten von der Gedenkfeier zum 23. März in der Via Rasella eintrafen. Sofort wurden die circa 200 Anwohner der Via Rasella aus ihren Häusern getrieben und mussten sich, Frauen und Männer getrennt, am Zaun des Palazzo Barberini stundenlang mit erhobenen Händen aufstellen. Zehn Männer, denen vage Sympathien für die kommunistische Partei unterstellt wurden, kamen auf die „Todesliste“ von Obersturmbannführer Herbert Kappler und wurden am nächsten Tag in den Fosse Ardeatine ermordet. Darunter befanden sich Kunsthandwerker, denen ein Handtaschenladen gehörte, ein unpolitischer Beamter, der gerade in seiner Wohnung in der Via Rasella ein Nickerchen gemacht hatte, als die Bombe explodierte, und Romolo Gigliozzi, der hinter der Theke eines kleinen Cafés arbeitete.
Genau gegenüber der Einmündung der Via Rasella in die Via delle Quattro Fontane erinnert eine Gedenktafel an der Mauer des Palazzo Barberini erst seit dem Jahr 2010 an diese 10 Opfer.
Am Ort des Anschlags sind in der Via Rasella noch heute Einschusslöcher zu sehen: Im Glauben, von diesen Häusern aus angegriffen worden zu sein, hatten die Deutschen die Fenster der der Straße zugewandten Wohnungen unter Beschuss genommen.
Sabine Bade & Wolfram Mikuteit
Eine gut recherchierte Darstellung findet sich in: Stefan PRAUSER, Mord in Rom? Der Anschlag in der Via Rasella un die deutsche Vergeltung in den Fosse Adreatine im März 1944 (Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jahrgang 50 (2002), Heft 2, Seite 269 – 301)