Die Lager des „Duce“ – Teil 1

Im Jahr 2003 behauptete der damalige italienische Premierminister Silvio Berlusconi, dass es während der Zeit des italienischen Faschismus keine Konzentrationslager gegeben habe, Mussolini niemanden habe umbringen lassen und er Menschen lediglich auf Inseln wie Ponza und Ventotene in den „Urlaub“ geschickt hätte.

Die von der Geschichtsforschung längst widerlegte Behauptung, dass der Mussolini-Faschismus erst unter dem Einfluss des nationalsozialistischen Deutschlands aus dem Ruder gelaufen sei, die Mär vom „guten Italiener“ und „schlechten Deutschen, ist ein bekanntes Stereotyp und wurde von Berlusconi während seiner Regierungszeit intensiv bedient.

Dies hat eine verzerrte kollektive Erinnerung befördert, die sich auch im Umgang mit den Stätten ehemaliger Konzentrationslager des italienischen Faschismus manifestiert: Denn während in den – unter deutscher Besatzungsherrschaft nach der italienischen Kapitulation im September 1943 errichteten – Konzentrationslagern Risiera San Sabba in Triest, Fossoli und Bozen-Gries an deren Geschichte erinnert und der Opfer gedacht wird, sucht man nach Spuren der über 50 Konzentrationslager, die Mussolini ab 1940 errichten ließ, meist vergeblich.

Konzentrationslager für Zivilisten aus von Italien okkupierten Gebieten Jugoslawiens

Nachdem sich das faschistische Italien – mit Deutschland durch die Achse Berlin-Rom“ und den sogenannten „Stahlpakt“ verbunden – am deutschen Überfall auf Jugoslawien im April 1941 beteiligt hatte, besetzte die italienische Armee Teile des in diverse Einflusssphären zerstückelten Landes entlang der Küste: Das italienische Besatzungsgebiet umfasste den Süden und Westen Sloweniens bis einschließlich Ljubljana und Teile von Dalmatien, einige Inseln sowie Teile von Montenegro und des Kosovo.

Die italienische Besatzung war von Zwangsmaßnahmen, Geiselerschießungen sowie massenhaften Deportationen und Internierung von Zivilisten – Frauen, Männern und Kindern aus Slowenien, Kroatien und Dalmatien – gekennzeichnet. So erließ General Mario Roatta, ab Januar 1942 Oberbefehlshaber der 2. italienischen Armee, die 1941 von Istrien aus am Überfall auf Jugoslawien teilnahm und danach die italienischen Besatzungstruppen in den besetzten Gebieten stellte, am 1. März 1942 das berüchtigte Rundschreiben 3C („Circolare 3C“): In offenem Bruch mit dem Kriegsvölkerrecht wurden Offiziere und Kommandanten darin angewiesen, mit allergrößter Härte gegen den Widerstand der Bevölkerung vorzugehen (Prinzip des „Zahn um Kopf“ statt „Zahn um Zahn“).

Bereits einige Tage zuvor hatte Roatta in der Nacht vom 22. auf den 23. Februar 1942 das Stadtgebiet von Ljubljana mit einem Stacheldrahtzaun hermetisch abriegeln lassen und danach Durchkämmungsaktionen angeordnet. Mehrere hundert gefangengenommene slowenische Zivilisten (Schüler, Studenten, Intellektuelle, die im Verdacht standen, mit der slowenischen Befreiungsbewegung zu sympathisieren) wurden Mitte März 1942 – die Gefängnisse in Ljubljana waren längst überfüllt – nach Italien deportiert. Diese Verschleppungen sollten den Widerstand gegen das faschistische italienische Besatzungsregime brechen und potentielle Widerstandskämpfer isolieren.

Das KZ Gonars

Das Konzentrationslager Gonars im Friaul war das erste Lager für Slowenen und Kroaten – „per slavi“, wie es im Land der Besatzungsmacht hieß – auf italienischem Boden.

Es wurde Ende Februar 1942, nachdem General Roatta mit den systematischen Durchkämmungen begonnen hatte, errichtet. Tausende Slowenen wurden ab März 1942 nach Gonars verschleppt. Anfangs nur Männer, später auch Frauen, Kinder und alte Menschen. Unter den unter elenden hygienischen Bedingungen lebenden und unter Mangelernährung leidenden Gefangenen waren neben Sympathisanten der slowenischen Befreiungsbewegung u.a. der Direktor der Oper von Ljubljana, Schauspieler des Nationaltheaters, Bildhauer, Schriftsteller und viele Universitätsangestellte. Bereits Mitte August 1942 waren über 6.000, Mitte September 1942 knapp 6.400 Menschen in Gonars interniert. Ausgelegt für ca. 3.000 Gefangene, war die Aufnahmekapazität bereits nach kurzer Zeit erreicht, was zum Bau weiterer Konzentrationslager führte.

Bis das Lager im September 1943 im Zuge der italienischen Kapitulation aufgelöst wurde, starben in Gonars ca. 500 Menschen an Unterernährung und verschiedensten Krankheiten, darunter 70 Kleinkinder.

Nach dem Krieg wurde das Lager dem Boden gleichgemacht, lediglich einige längst grasüberwachsene Fundamente sind davon heute noch erkennbar. Aber wenigstens gelang es der jugoslawischen Regierung im Vorfeld des 1975 geschlossenen Osimo-Vertrags über die Festlegung des endgültigen Grenzverlaufs zwischen Italien und Jugoslawien, auf dem örtlichen Friedhof eine Gedenkstätte zu errichten.
Und seit dem Jahr 2009 existiert auch eine kleine Gedenkstätte auf dem Areal des ehemaligen Lagers: Auf vier Stelen sind Mosaike mit Reproduktionen von Werken eingelassen, die Häftlinge im Lager geschaffen haben.

Das KZ Monigo in Treviso

Da das KZ Gonars schnell überfüllt war, wurden weitere Konzentrationslager errichtet, zunächst in Treviso.

Hier wurde die Caserma Luigi Cadorin im Vorort Monigo zum Konzentrationslager umfunktioniert. Die ersten slowenischen Gefangenen erreichten das Lager am 2. Juli 1942: 315 Männer, Frauen und Kinder, die während der großen Durchkämmungsaktion in Ljubljana und weitere 255 Zivilisten, die im Raum Logatec (ca. 30 km südwestlich der slowenischen Hauptstadt) verhaftet worden waren. Mit einem zweiten Transport wurden am 6. August 432 Menschen aus Novo Mesto und Kočevje nach Treviso deportiert. Weitere Transporte folgten, auch aus dem Konzentrationslager Kampor auf der dalmatinischen Insel Rab, wo die Sterberate der Insassen mit 19 % über der des deutschen KZ Dachau lag. Im Oktober 1942 waren über 3.400 Menschen im KZ Monigo inhaftiert.

Der Überfüllung des Lagers begegneten die Behörden mit der teilweisen Verlegung in andere Konzentrations- und Arbeitslager. Mangelernährung, Kälte und schlechte hygiensiche Bedingungen blieben jedoch an der Tagesordnung und führten dazu, dass zeitweise die Hälfte der 600 Betten des städtischen Krankenhauses in Treviso von Insassen des KZ Monigo belegt waren. Meist viel zu spät eingeliefert, konnte vielen der Patienten, die an katastrophaler Unternährung oder Tuberkulose litten, nicht mehr geholfen werden.

In den 14 Monaten bis zur Schließung des Lagers starben über 230 Menschen, davon über 50 Kinder. Die meisten von ihnen wurden in Massengräbern verscharrt.

Die Cadorin-Kaserne wird nachwievor militärisch genutzt; Hinweise auf die frühere Nutzung gibt es nicht. Einer privaten Initiative ist es zu danken, dass seit Januar 2013 am ehemaligen Krankenhaus in der Altstadt von Treviso eine Gedenktafel angebracht werden konnte für „die Tausenden von Zivilisten, die in das Konzentrationslager Treviso (1942-1943) deportiert wurden. Viele der circa 200 Todesopfer, darunter 53 Kinder, starben an diesem Ort, damals das städtische Krankenhaus“. Das Gedenkrelief ist das Ergebnis eines auch vom Geschichtsinstitut ISTRESCO unterstützten Wettbewerbs der Studenten des Liceo Artistico di Treviso.

Das KZ Visco

Lediglich 10 Kilometer von Gonars entfernt entstand im Januar 1943 in der kleinen Ortschaft Visco bei Palmanova ein weiteres Konzentrationslager. Am 22. Februar 1943 erreichten die ersten ca. 300 gefangenen, von Hungerödemen gezeichneten Slowenen und Kroaten aus dem Konzentrationslager Kampor auf der dalmatinischen Insel Rab das Lager Visco. Mit 3.272 Männern, Frauen und auch vielen Kindern erreichte die Belegung des KZ Visco am 1. Juli 1943 ihren Höchststand. 22 Menschen starben dort während ihrer Haftzeit.

Nach der italienischen Kapitulation wurden die 18 Gebäude des Lagers zunächst von der Wehrmacht, nach dem Krieg vom italienischen Militär bis 1996 als Kaserne („Caserma Luigi Sbaiz“) genutzt. Im Jahr 2001 ging es in den Besitz der Gemeinde Visco über. Das hermetisch abgeriegelte Gelände war öffentlich nicht zugänglich, sodass auch die kleine Gedenktafel, die seit dem Jahr 2004 im Inneren an die frühere Nutzung als Konzentrationslager erinnert, nicht erkennbar war.

Anstatt hier nun aber eine Gedenkstätte zu errichten, einen Ort, an dem über den italienischen Faschismus, den Angriffskrieg gegen Jugoslawien, die italienische Besatzungsherrschaft und über die Deportation von allein circa 25.000 Slowenen nach Italien informiert werden könnte, plante die Gemeinde den Verkauf des Areals an ein Möbelcenter. Diese Nachricht, auch von der in Kärnten erscheinenden „Kleinen Zeitung“ über die Landesgrenzen hinweg verbreitet, löste Empörung aus. Gegen die Veräußerung des Geländes stemmte sich auch der slowenische Schriftsteller Boris Pahor. Der bekannte, damals 94-jährige Autor von „Nekropolis“, selbst Deportationsopfer und Überlebender der KZ Dachau, Natzweiler-Struthof, Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen, warnte vor der Veräußerung des Geländes und mahnte Schritte zum Erhalt des ehemaligen Konzentrationslager an.

Mittlerweile scheint der Plan, auf dem Areal ein Möbelcenter zu errichten, vom Tisch zu sein. Wenigstens dies ist gelungen. Fortsetzung folgt …

Sabine Bade & Wolfram Mikuteit

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