Die Lager des „Duce“ – Teil 2

Das KZ Le Fraschette südlich von Rom

Der in idyllischer Hügellandschaft liegende Weiler Le Fraschette bei Alatri war Ende 1941 zunächst als Standort für ein Kriegsgefangenenlager vorgesehen, dann aber als Campo di concentramento Fraschette di Alatri im Juli 1942 zur Internierung von mehreren Tausend Zivilisten in Betrieb genommen. Im unter der Leitung des italienischen Innenministeriums stehenden und von Carabinieri bewachten Lager wurden annähernd 200 Holzbaracken errichtet, in denen zunächst aus Libyen deportierte Anglo-Malteser untergebracht wurden.

Ende Oktober 1942 traf der erste Deportationstransport aus den von Italien besetzten Gebieten Jugoslawiens mit 90 Frauen und 164 Kindern aus dem KZ auf der norddalmatinischen Insel Molat (campo di concentramento di Melada) ein. Weitere Transporte folgten: insgesamt wurden circa 2.900 „ex jugoslavi“ in das KZ Le Fraschette deportiert.

Viele von ihnen stammten aus Jelenje und Podhum, Gemeinden in der Nähe von Fiume (heute: Rijeka). Dort hatten am 12. Juli 1942 italienische Besatzungstruppen auf Anweisung des Präfekten der Provinz bei einer sogenannten „Vergeltungsaktion“ ca. 100 völlig unbeteiligte Männer zwischen 16 und 64 Jahren umgebracht, die Dörfer dem Erdboden gleichgemacht und alle anderen Einwohner – Frauen, Männer, kleine Kinder und alte Menschen – in verschiedene italienische Konzentrationslager verschleppt. Im KZ Le Fraschette wurden sie nun zusammengefasst.

Mitte Februar 1943 ereichten die ersten Transporte mit Menschen aus der Region Friaul-Julisch Venetien das KZ. Anlass für die Deportation ganzer Familien war meist lediglich die Tatsache, dass sich ein Verwandter dem Widerstand angeschlossen hatte.

Im Sommer 1943 waren 4.500 Menschen – ständig hungernd und unter elendigen hygienischen Bedingungen – im KZ Le Fraschette interniert.

Nach der Befreiung im Juni 1944 diente das Areal als Displaced Persons Camp, danach wurde das Lager für Flüchtlinge aus Istrien und Dalmatien und später als Erstunterkunft auch für Italiener aus den ehemaligen afrikanischen Kolonien und Flüchtlinge aus Ostblockstaaten genutzt.

Im Jahr 2001 schrieb der Historiker Carlo Spartaco Capogreco im Gedenkstättenrundbrief:
… sind doch bei dem allgemeinen Desinteresse fast aller Protagonisten der italienischen Gesellschaft nach und nach Spuren und Geschichte praktisch aller faschistischen Lager verschwunden. In Nord- und Mittelitalien hat sich dieser Prozess – wenn überhaupt möglich – noch gründlicher vollzogen. Man denke an die Lager von Gonars (Udine), Renicci-Anghiari (Arezzo), Cairo Montenotte (Savona), Fraschette-Alatri (Frosinone), um nur die wichtigsten zu erwähnen, deren Bauten man hat verwahrlosen lassen, soweit man sie nicht vorsätzlich zerstört hat, und deren Geschichte nur in seltenen Fällen Gegenstand wissenschaftlicher Studien gewesen ist. […] In Alatri (Frosinone) wird jetzt ein Teil der alten Gebäude des riesigen ehemaligen Konzentrationslagers von Fraschette zu einer Herberge für Pilger des Heiligen Jahres umgebaut. Das Schild, das am Eingang Auskunft über die Bauarbeiten gibt, erwähnt mit keinem Wort die Tausende von jugoslawischen Frauen und Kinder, die hier deportiert wurden, erinnert aber daran, dass hier in der Nachkriegszeit dalmatische und istrische Flüchtlinge aufgenommen wurden“.

Aus der von Capogreco erwähnten Herberge für Pilger des Heiligen Jahres wurde im Jahr 2006 das „Ostello della Gioventù“, eine Art Jugendherberge mit 120 Betten, deren Betreiber auf der Homepage knapp erwähnen, dass das Gebäude früher ein „campo di deportazione della IIa Guerra Mondiale“ war.

Erst im April 2016 ist auf Veranlassung der Associazione Nazionale Partigiani Cristiani (ANPC) Frosinone vor dem Eingang des ehemaligen Konzentrationslager eine kleine Gedenkstätte errichtet worden. Auf der an Ketten liegenden Bodenplatte neben dem Monumento agli Internati steht recht vage, dass es den Menschen gewidmet ist, „die während des Zweiten Weltkriegs aus ihrer Heimat gerissen und im Konzentrationslager Le Fraschette interniert wurden“, den Bischöfen von Alatri, Triest und Gorizia, den Priestern und Nonnen und all jenen, die bis in die 1970er-Jahre in Le Fraschette daran beteiligt waren, das Leiden und die Verzweiflung der Flüchtlinge zu lindern.

Informationen über das vom faschistischen Italien hier errichtete Konzentrationslager, die Hintergründe der Deportationen und die Opfer fehlen noch immer.

 

… und nicht zu vergessen: die vielen Lager Mussolinis für Jüdinnen und Juden

Anlässlich einer Sitzung des Rates der Union der Israelitischen Gemeinden Italiens teilte der Vorsitzende Dante Almansi den Anwesenden am 30. Mai 1940 mit:

Der Kriegszustand hat die Regierung veranlasst, Maßnahmen gegen die ausländischen jüdischen Flüchtlinge zu treffen. Sie sollen in einer Ortschaft in Süditalien zusammengefasst werden, und zwar in Tarsia (Provinz Cosenza). Dort werden sie auch nach Beendung des Krieges bleiben müssen, um dann in die Länder verschickt zu werden, die sich zur Aufnahme bereit erklären sollten. Die Maßnahme erfolgt in zwei Phasen: erst werden Frauen und Männer getrennt in verschiedene Ortschaften des Königreichs verlegt, dann wird man sie in dem genannten definitiven Ort sammeln und die einzelnen Familien in eigens zu diesem Zweck errichteten Baracken zusammenführen. Auch Staatenlose, die ab 1919 nach Italien gekommen sind, werden als Ausländer eingestuft.“

Am selben Tag erging der Auftrag zur Errichtung des Konzentrationslagers Ferramonti di Tarsia im malariaverseuchten südlichen Kalabrien. Es wurde das größte italienische Konzentrationslager für ausländische Juden und jene, die durch die 1938 von Mussolini erlassenen Rassegesetze staatenlos geworden waren. In Ferramonti waren zwischen 1.500 und 2.000 Häftlinge untergebracht, die große Mehrzahl nicht-italienische Juden.

Daneben wurde jede Provinz angewiesen, Plätze zur Internierung solcher Angehöriger  „feindlicher Staaten“ bereitzustellen. Allein 15 derartige Lager entstanden in der Region Abruzzen.

Das meisten Baracken des bereits wenige Tage nach Bekanntgabe der italienischen Kapitulation von einer Vorhut der britischen Armee am 14. September 1943 befreiten Lagers  Ferramonti wurden in den 1960er-Jahren abgerissen: Weite Teile des 16 Hektar großen Areals wurden für den Bau der Autobahn Salerno – Reggio Calabria verwendet.

Gedenken wird zivilgesellschaftlichem Engagement überlassen: Seit dem Jahr 1988 kümmert sich die Stiftung Ferramonti (Fondazione Museo Internazionale della Memoria Ferramonti di Tarsia) mit dem Ziel, den Ort des ehemalige faschistischen Konzentrationslagers zu einem Platz der Auseinandersetzung mit der Geschichte zu machen, um den Erhalt der wenigen noch verbliebenen Gebäude. 1999 gelang es der Stiftung, das verbliebene Areal unter Denkmalschutz stellen zu lassen. Am 25. April 2004 konnte das kleine Museo della Memoria Ferramonti di Tarsia eingeweiht werden.

Der Historiker Carlo Spartaco Capogreco hat mit seinem Buch „I campi del Duce. L’internamento civile nell’Italia fascista (1940-1943)“ das Standardwerk zu faschistischen Konzentrationslagern geschrieben. Es erschien im Jahr 2004 im Turiner Einaudi Verlag. Aber selbstverständlich lagen auch vorher alle Fakten vor, die Silvio Berlusconis verwegene, geschichtsrevidierende  These, dass es während der Zeit des italienischen Faschismus keine Konzentrationslager gegeben habe, widerlegen.

Sabine Bade & Wolfram Mikuteit

 

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