Giorgio Bassanis Garten der Finzi-Contini

Geschichten aus Ferrara
Er habe Vittorio De Sicas preisgekrönten Film „Der Garten der Finzi Contini“ gesehen und wolle nun unbedingt zum Grab von Giorgio Bassani, erläutert uns der junge Mann auf dem Jüdischen Friedhof von Ferrara. Ob er weiß, dass Bassani selbst wenig zufrieden mit der Verfilmung seines Romans war und sich deshalb weigerte, als Mitautor genannt zu werden?

Giorgio Bassani (4. März 1916 -13. April 2000), jüdischer Friedhof Ferrara - Foto: © Wolfram Mikuteit

Giorgio Bassani (4. März 1916 -13. April 2000), jüdischer Friedhof Ferrara – Foto: © Wolfram Mikuteit

Er ist einer von vielen Touristen, die Ferrara, in der Emilia-Romagna gelegen, auf den Spuren Giorgio Bassanis durchstreifen. „Sulle tracce di Bassani“ heißen denn auch zwei Stadtspaziergänge, die das Stadtmarketing Ferraras anbietet. Bessani ist seit seinem Tod (vorher scheint das Verhältnis zwischen Bassani und Ferrara eher gestört gewesen zu sein) die touristische Zugnummer der Stadt. Dabei ist das literarische Denkmal, das er seiner Heimatstadt setzte, alles andere als liebevoll:

Das Ferrara, über das ich geschrieben habe, ist ausschließlich das Ferrara aus der Zeit des Faschismus. Soweit ich mich erinnere, war die Stadt dem Regime treu ergeben, so daß die wenigen Nichtfaschisten eine Randgruppe bildeten, die mit den anderen, der Mehrheit, nicht in Berührung kam. Selbst die Ferrareser Juden, die in so großer Zahl in den nazistischen Gaskammern umkommen sollten, waren zum großen Teil Faschisten. Der bis Mitte der dreißiger Jahre amtierende Bürgermeister von Ferrara war Jude, zugleich aber ein enger Freund von Italo Balbo. Ja, leider. Die wahre Tragödie der Ferrareser Juden und eines sehr großen Teils der italienischen Juden überhaupt bestand darin, daß sie als Bürgertum sich zuerst mit dem Faschismus einließen und dann, ohne eigentlich zu wissen, warum, spurlos in den nazistischen Vernichtungslagern verschwanden. …“, schrieb Bassani in seinen Erinnerungen.

Castello Estense mit Wassergraben, Ferrara - Foto: © Wolfram Mikuteit

Castello Estense mit Wassergraben, Ferrara – Foto: © Wolfram Mikuteit

Bassanis Erzählungen kreisen um das historische Versagen des Bürgertums unter dem italienischen Faschismus und können dabei leicht das beklemmende Gefühl vermitteln, als sei gerade Ferrara die Hochburg des italienischen Faschismus gewesen. Dabei war Bassani ein Erzähler, kein Historiker. Fiktion und historische Realität greifen in seinen Romanen und Erzählungen fortwährend ineinander. Was manche Besucher, die den von Bassani gelegten Spuren durch Ferrara folgen, außer acht lassen: So gilt fast schon als wahr, dass alle elf Männer, die „in einer Nacht des Jahres 1943″ einer Vergeltungsmaßnahme der faschistischen Miliz zum Opfer fielen, vor dem Kastell in Ferrara ermordet wurden.

Gedenktafeln am Burggraben des Schlosses - Foto: © Wolfram Mikuteit

Gedenktafeln am Burggraben des Schlosses – Foto: © Wolfram Mikuteit

Eine kleinere literarische Zuspitzung, die die Gedenktafeln am Burggraben wieder geraderücken.

Aber Bassani hat auch Charaktere verändert. So verschiebt er das Begräbnis der 1944 in faschistischer Gefangenschaft gestorbenen einflussreichen Sozialistin Alda Costa, die er Clelia Trotti nennt, nicht nur in das Jahr 1946, sondern beschreibt ihre letzten Jahre auch als Zustand absoluter Ohnmacht und Realitätsferne und zeichnet damit das mitleidserregende Bild einer blinden Idealistin. Vielleicht würden Ferrara-Besucher heute zum Grab von Alda Costa pilgern, hätte Bassani den Charakter seiner Clelia Trotti ein wenig näher am Original angelegt.

Grundschule in Ferrara, benannt nach Alda Costa - Foto: © Wolfram Mikuteit

Grundschule in Ferrara, benannt nach Alda Costa – Foto: © Wolfram Mikuteit

Il Giardino che non c’è – der Garten, den es nicht gibt
Wo sich der Garten der Finzi-Contini, der Bassanis bekanntestem, 1962 erschienenen Roman den Titel gaben, befindet, soll zu den von Touristen meistgestellten Fragen in Ferrara gehören. Was zeigt, wie wortwörtlich viele Leser die Geschichten nehmen, wie wenig sie zwischen historischer Realität und Fiktion zu unterscheiden wissen.

Denn so wie die Familie Finzi-Contini und deren kapriziöse Tochter Micòl nicht existierte – so fiktiv ist auch deren von Bassani beschriebenes, von einem idyllischen ummauerten Park umgebenes Anwesen mit dem Platz, auf dem die aufgrund der Rassegesetze aus der Gesellschaft ausgeschlossenen Protagonisten Tennis spielten.

Bessanis am Vorabend der Deportation der jüdischen Bevölkerung Ferraras in deutsche Vernichtungslager angesiedeltes Meisterwerk der modernen Literatur stellt den Mittelpunkt der Ausstellung „Il Giardino che non c’è“ des Bildhauers Dani Karavan – der u.a. im katalanischen Portbou das Denkmal „Passagen“ für Walter Benjamin entwarf  – dar, die noch bis zum 10. Februar 2019 in Ferrara zu sehen ist.

Museo Nazionale dell'Ebraismo Italiano e della Shoa - Foto: © Wolfram Mikuteit

Museo Nazionale dell’Ebraismo Italiano e della Shoa – Foto: © Wolfram Mikuteit

Ausstellungsort ist das ehemalige Gefängnis in der Via Piangipane, das sowohl die italienischen Faschisten als auch die deutschen Besatzer als Haftstätte für Antifaschisten nutzten. Es beherbergt seit Ende 2011 das Museo Nazionale dell’Ebraismo Italiano e della Shoa (MEIS), das Nationale Museum des italienischen Judentums und der Shoa.

Ob diese Ausstellung allerdings zukünfig Menschen, die in Ferrara den Spuren Bassanis folgen, davon abhalten wird, nach dem Garten der Finzi-Contini zu suchen?

Sabine Bade & Wolfram Mikuteit

 

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