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Gerade erschienen: Die Neuauflage von Gino Vermicellis Buch „Die unsichtbaren Dörfer“

Fünfzig Jahre nach Kriegsende unter dem Titel Viva Babeuf! verfasst, erschien Die unsichtbaren Dörfer von Gino Vermicelli (1922-1998)  im Jahr 1990 im Züricher Rotpunktverlag erstmals in deutscher Sprache. Danach war dieser autobiografisch gefärbte Roman über den Kampf der PartisanInnen gegen die deutsche Wehrmacht und ihre faschistischen Handlanger im nordpiemontesischen Ossolatal lange vergriffen; nur wer Glück hatte, fand Schwarzdrucke. Nun hat der Verlag zum 21. April 2022 – passend zum 100. Geburtstag des Autors – eine überarbeitete Neuauflage herausgebracht.

Vermicelli: Die unsichtbaren Dörfer

Gino Vermicelli: Die unsichtbaren Dörfer. Rotpunktverlag, Zürich 2022.

Gino Vermicelli war selbst als politischer Kommissar einer Garibaldi-Brigade am Widerstandskampf in der Region beteiligt. So erfahren wir, wie die Männer und Frauen in der Zeit zwischen Frühjahr und Herbst 1944 lebten, wie sie sich ihre Nahrung beschafften, wie sie ihre Anschläge vorbereiteten und wie sie schließlich die Partisanenrepublik von Ossola errichteten. Zwischen das Geschehen, auf den langen Märschen über Berg und Tal, flechtet Vermicelli die verschiedensten Gedanken der PartisanInnen, ihre Überlegungen, ihre Wünsche und Hoffnungen für die Zeit nach der Befreiung ein. Dies geschieht meist durch die Dialoge der beiden Protagonisten, des Politkommissars Simon und des Kommandanten Emilio – der eine Kommunist, der andere Katholik.

Das Vorwort zur Erstauflage schrieb Rossana Rossanda (1924-2020), nach ihrem Ausschluss aus der KPI Mitbegründerin der Zeitschrift IL Manifesto. Auch sie war am Widerstand beteiligt, übernahm damals im nahen Mailand Kurierdienste für die Resistenza. Dass sich Vermicelli der nicht einfachen Wahrheit über den notwendigen bewaffneten Kampf eines zerrissenen Volkes stellt, dass seine Schilderungen mit Zweifeln, Vorahnungen, Ungewissheiten und Fragen durchsetzt sind, betonte sie besonders. Und begrüßte „das Fehlen einer Rhetorik der Freiheit, von der verheissen wird, dass sie uns Arm in Arm mit dem Glück gleich um die Ecke erwarten würde, sobald der letzte Deutsche den Boden des Vaterlandes verlassen hätte.“

Die unsichtbaren Dörfer liefern kein Heldenepos, keine Schwarzweißmalerei, keine einfachen Wahrheiten: Das macht das Buch unbedingt lesenswert! Auch wenn wir uns gewünscht hätten, Rossana Rossandas Vorwort auch in der Neuauflage wiederzufinden.

Sabine Bade

Vermicelli, Gino: Die unsichtbaren Dörfer, Zürich 2022
ISBN 978-3-85869-942-8
Rotpunktverlag

Partisanenrepublik Ossola, Orte der Erinnerung – Teil 4

Der erbitterte Kampf gegen die von vielen Kriegsverbrechen begleitete deutsche Besatzung und der Versuch vieler Menschen aus dem Ossolatal, im Herbst 1944 in ihrer Heimat nach über 20 Jahren Faschismus endlich wieder demokratische Verhältnisse herzustellen, hat vielerorts Spuren hinterlassen. Aber Hinweise darauf, wo noch heute im Tal an den Widerstand erinnert und das Gedenken an die 44 Tage der „Repubblica partigiana della Val d’Ossola“ wachgehalten wird, sucht man in deutschsprachigen Reiseführern leider vergeblich.

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Die Partisanenrepublik von Ossola – Teil 3

Gescheiterte Hoffnungen
Die vage Idee der Alliierten, in Italien eine zweite Front zu eröffnen und dafür das Val d’Ossola als Basis für Angriffe gegen die Poebene und zur Befreiung Norditaliens auszubauen, war bereits längst zu den Akten gelegt, als das Tal im September 1944 von den Partisanen befreit wurde. Zunächst wegen der großen Durchkämmungsaktion im Juni 1944 zurückgestellt, fiel der Plan danach veränderten strategischen Rahmenbedingungen zum Opfer: Für die unter den Alliierten nicht unumstrittene Landung in der Provence am 15. August 1944 (Operation Dragoon) mussten dafür nötige Truppen teilweise aus Italien abgezogen werden. Es sollte sich zeigen, dass durch die erfolgten Truppenreduzierungen selbst der alliierte Vorstoß gegen die Gotenlinie nach der Einnahmme von Rimini ins Stocken geriet.

Wandgemälde von Angelo del Devero in Domodossola

Wandgemälde von Angelo del Devero in Domodossola

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Erste Massenmorde an Juden in Italien – Massaker am Lago Maggiore

Zwischen dem 15. September 1943 und dem 11. Oktober 1943 wurden mehrere idyllische Orte am piemontesischen Westufer des Lago Maggiore und dessen Umgebung Schauplatz der ersten Massenmorde an Juden in Italien nach dessen Kriegsaustritt und der Besetzung durch deutsche Truppen.

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Die Partisanenrepublik von Ossola – Teil 2

Die erste Befreiung des Val d‘Ossola
Ossolo-Tal - KarteHatten die Deutschen gehofft, mit den großangelegten Durchkämmungsaktionen im Val d’Ossola im Juni 1944, bei denen ca. 300 Partisanen getötet und ungefähr 400 gefangengenommene Zivilisten in deutsche Lager deportiert worden waren, die Region in ihrem Sinne befriedet zu haben, wurden sie schnell eines anderen belehrt: Aus ihren Rückzugsgebieten heraus formierten sich die Partisanen neu, bekamen weiteren Zulauf und starteten Mitte August 1944parallel zur alliierten Landung in Südfrankreich, der Befreiung von Florenz und der Offensive der Alliierten gegen die Gotenlinie – die militärischen Aktionen, die zur Befreiung des Val d’Ossola führen sollten.

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